Stellungnahme zur WDR-Doku vom 27. Januar 2021

Stellungnahme der Freien Waldorfschule Minden zum Film „Wenn Rechtsextreme freie Schulen unterwandern“, gesendet am 27. Januar 2021 im Fernsehprogramm des WDR

Der WDR hat mit dem o. a. Film Mut bewiesen und sich klar dagegen ausgesprochen, dass Rechtsextreme Einfluss auf Schulinhalte gewinnen. Die Freie Waldorfschule Minden steht seit ihrer Gründung hinter diesem Anliegen. Deshalb begrüßen wir es, dass der WDR diesen Film gedreht hat. Dies gilt insbesondere, weil wir durch die langjährige Tätigkeit eines in rechtsextremen Kreisen aktiven ehemaligen Lehrers an unserer Schule selber von dem Thema betroffen waren.

Auch die Tätigkeit der Autorin des Films, Frau Röpke, schätzen wir. Sie durchdringt unter hohem persönlichem Einsatz seit über 20 Jahren die rechtsextremen Strukturen in Deutschland und macht dadurch diese Strukturen transparent. Auch bei der Aufklärung der Tätigkeiten des ehemaligen Lehrers war sie beteiligt. Sie veröffentlichte am 31. Juli 2015 in blick nach rechts ein Foto, auf dem der Kriegsverbrecher Erich Priebke gemeinsam mit dem ehemaligen Lehrer unserer Schule zu sehen war. Das Foto war der letzte Anstoß für die Schule, sich von dem ehemaligen Lehrer zu trennen.

Leider hat der WDR es jedoch versäumt, uns bei der Recherche zu den Vorgängen aus dem Jahr 2015 zu kontaktieren. Dadurch weist der Film teilweise Verdrehungen zeitlicher Abläufe sowie Falschaussagen auf. Diese werfen beim Betrachter verständlicherweise die Frage auf, wieso wir den ehemaligen Lehrer noch zwei Monate haben unterrichten lassen.

Auch auf diese Frage gehen wir in der folgenden Stellungnahme ein.

Unterrichtsdauer
In der gesendeten Version des Films wird mitgeteilt, dass der ehemalige Lehrer nach Bekanntwerden der Vorwürfe noch ein Jahr an der Schule unterrichtet habe. Der WDR hat diese Information aus den Kopien, die in der Mediathek und bei youtube noch abrufbar sind, gestrichen, da sie nicht korrekt ist

Kriegsverbrecher Priebke
In dem Film wird dargestellt, dass das Foto mit Herrn Priebke von Eltern im Internet gefunden worden war. Dabei wird nicht erwähnt, dass das Foto erst nach der Suspendierung publik wurde, der ehemalige Lehrer also nicht mehr unterrichtete. Das Foto von Herrn Priebke und dem ehemalige Lehrer mit dem Hinweis auf die gemeinsame Vorstandstätigkeit in Bariloche wurde am 31. Juli 2015 veröffentlicht; zunächst von blick nach rechts, dann vom Mindener Tageblatt. Die Suspendierung des ehemaligen Lehrers war am 25. Juni 2015 erfolgt.

Teilnahme an einer heidnisch geprägten Hochzeit
Diese Filmaufnahmen waren dem Kollegium bis zur Ausstrahlung durch den WDR im Januar 2021 nicht bekannt. Leider wird im Film nicht mitgeteilt, wann die Aufnahmen stattfanden. (Nachtrag: Das Mindener Tageblatt berichtet, dass die Aufnahmen 2017 entstanden - zwei Jahre nach der Trennung). Es wird der Eindruck erweckt, der ehemalige Lehrer hätte weiter an der Schule unterrichtet, obwohl die Aufnahmen der Schule bekannt gewesen seien.

Zusammenfassung der erst nach der Suspendierung bekanntgewordenen Informationen

Zum Zeitpunkt der Suspendierung waren der Schule noch nicht bekannt:

  • Seine Veröffentlichung von Artikeln in der Zeitschrift der Artgemeinschaft.
  • Seine Vorstandstätigkeit in der Schule in Bariloche.
  • Seine Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrecher Priebke.
  • Seine Teilnahme an der heidnisch geprägten Hochzeit.

In dem Film wird der Eindruck erweckt, als hätte der ehemalige Lehrer noch unterrichten dürfen, nachdem diese Informationen der Schule vorlagen. Das gilt auch für das Zitat der ehemaligen Schülermutter die davon spricht, dass trotz „dieser Fakten“ Kolleg:innen noch an die Unschuld des ehemaligen Lehrers glaubten.

Heute, im Rückblick, sind wir der Überzeugung, dass die anderen bereits vorliegenden Informationen hätten ausreichen müssen, um den ehemaligen Lehrer früher zu suspendieren und uns von ihm zu trennen.

Beauftragung der Einschätzungen an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in OWL
Das Kollegium hat direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe am 24. April 2015 zunächst versucht, ein Gutachten über Texte von den ehemaligen Lehrer durch einen Professor der Jüngeren und Jüngsten Geschichte erstellen zu lassen. Das gelang nicht. Deshalb wurde der Vorschlag einer Schülermutter aufgegriffen eine Einschätzung durch die Mobile Beratung erstellen zu lassen. Dafür hat das Kollegium die bis dahin recherchierten Texte zur Verfügung gestellt. Im Film wird behauptet, dass diese Einschätzung von den Eltern beauftragt worden sei. Wir sind nicht an der Urheberschaft des Auftrags interessiert, wichtig war, dass die Einschätzung erstellt wurde. Im Kontext des Films wird allerdings der Eindruck erweckt, dass das Kollegium kein Interesse an der Begutachtung der Texte des ehemaligen Lehrers gehabt hätte.

Die Einschätzung wurde der Schule am 22. Juni 2015 per E-Mail zugestellt und am gleichen Tag im Original an alle Elternhäuser weitergeleitet.

Die Einschätzung überarbeitete die Mobile Beratung im Herbst 2015, also nach der Trennung von dem ehemaligen Lehrer. Erst in dieser erweiterten Einschätzung konnte die Mobile Beratung die Informationen zu Bariloche, Priebke und der Artgemeinschaft auflisten, da diese Informationen zum Zeitpunkt der Erstellung der ersten Version noch nicht bekannt waren.

Abfindung
Im Film wird behauptet, dass der ehemalige Lehrer eine Abfindung bekommen hätte. Die Schule darf sich aus rechtlichen Gründen dazu nicht äußern. Wir legen aber Wert auf die Feststellung, dass wir nur arbeitsrechtlich unvermeidbare Verpflichtungen eingegangen sind.

Reaktion auf Elternsorgen
Eine ehemalige Lehrerin der Freien Waldorfschule Minden beschreibt in dem Film, wie sie zu der Erkenntnis kam, dass der ehemalige Lehrer rechtsextremistisch sei. Direkt anschließend heißt es: „Doch die meisten Lehrer nehmen die Sorgen der Eltern nicht ernst.“ Das ist inhaltlich und im Kontext falsch. Das Kollegium hat die Sorgen der Eltern von Anfang an ernst genommen und Eltern einbezogen. Außerdem hatte sich zu dem Zeitpunkt, den die ehemalige Lehrerin beschreibt, die Schule bereits von dem ehemaligen Lehrer getrennt.

Standen Teile des Kollegiums hinter der rechtsextremen Gesinnung des ehemaligen Lehrers?
Zum Ende des Filmabschnittes, der unsere Schule betrifft, wird die Frage gestellt, ob Teile der Elternschaft und des Kollegiums hinter der nachweislich rechten Gesinnung des ehemaligen Lehrers standen. Hätte uns der WDR vor Fertigstellung und Ausstrahlung des Filmes zu den Vorgängen befragt, so wäre die Frage, ob Teile des Kollegiums hinter der Gesinnung des ehemaligen Lehrers standen, klar verneint worden.

Niemand aus dem Kollegium hat Rechtsextremismus als akzeptabel dargestellt, im Gegenteil. Die Kolleg:innen konnten sich zunächst nur schwer vorstellen, dass die Vorwürfe zutrafen. Die Gründe für diese damalige Überzeugung werden auch in den O-Tönen der Eltern im Film deutlich gezeigt.

Der Konflikt in der Schulgemeinschaft entstand, weil die rechtsextreme Einstellung des ehemaligen Lehrers zu unterschiedlichen Zeitpunkten als Tatsache erkannt wurde. Dieser Konflikt ging auch durch das Kollegium.

P. Bücker, M. Geschwinder, U. Paulus
Schulleitung und Vorstand